Vor ein paar Tagen habe ich auf Facebook einen Post geteilt, den ich hier etwas weiter ausführen möchte. Zum einen, weil mir dieses Thema sehr am Herzen liegt, zum anderen, weil ich in diesem Zusammenhang einen Artikel schreiben soll und das Bloggen hilft mir dabei, meine Gedanken zu ordnen.
Den Post habe ich damit begonnen, dass wir bei uns im Stall das geflügelte Wort haben: “Meiner ist der Schönste, Liebste und Gescheiteste.” Mit einem Schmunzeln im Gesicht werfen wir uns diese Worte entgegen, wenn wir im Stüberl zusammensitzen und verklärten Blickes über unser eigenes Pferd sprechen. Ich merkt schon, in dieser Aussage und ihrer Verwendung liegt eine gewaltige Portion Ironie, trotzdem beinhaltet sie auch eine gewaltige Portion Wahrheit … im besten Fall! Aber bleiben wir kurz mal bei der Ironie. Erwachsene Menschen wissen durchaus, dass die Beschreibung eines Pferdes mit derartigen Superlativen wohl kaum der Realität entsprechen wird, zumal es meist weitere, mindestens ebenso schöne, liebe und gescheite Pferde geben sollte auf dieser Welt. Trotzdem finde ich es wichtig und unerlässlich, sich bezüglich des eigenen Pferdes über diese Logik hinwegzusetzen und ihm einen Wert abseits von allgemein gültigen Vorgaben angedeihen zu lassen. Dieser emotionale Wert ist die bedingungslose Liebe, die fernab von Schönheitsidealen, Leistungszwang und Bewertungen von Außen unsere Pferde quasi am Leben erhält.
Obwohl es das perfekte Pferd nicht gibt, können wir trotzdem so viel Perfektes in unserem Pferd entdecken, wenn wir nur mit dem Herzen darauf schauen. Und bitte versteht mich jetzt nicht falsch, damit meine ich keinesfalls blindes Hinwegsehen über körperliche Leiden, zu korrigierende Unarten, Versäumnisse auf dem Ausbildungsweg etc. Voraussetzung für ein harmonisches Miteinander ist die körperliche Gesundheit des Pferdes, dass es den Pferde-Knigge beherrscht und die Ordnung in der “Herden”-Hierarchie akzeptiert, sprich, der Mensch ist der Anführer, der dem Pferd die nötige Sicherheit vermittelt, damit es sich ihm ohne zu hinterfragen gerne anschließt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sollte alles andere als Draufgabe betrachtet werden. Und hier beginnen sich die Wege aufzuteilen …
Was ich leider sehr oft erlebe, ist die Tatsache, dass manche Menschen nicht fähig sind, ihren Pferden von sich aus einen Wert zuzugestehen, ohne dass dieser von Außen bestätig wird. Ich finde aber, dass genau das die wichtigste Herausforderung ist und der Punkt, wo gemeinsame Entwicklung und Wachstum entstehen können. Wie oft werden Pferde jedoch überfordert mit den Ansprüchen an sie, nur weil man anderen beweisen möchte, wie toll sie sind? Und das meine ich nicht nur körperlich, ich befürchte nämlich, dass Pferde oft viel mehr emotional überfordert werden, wenn die zu hohen Erwartungen des Menschen nicht erfüllt werden und die Enttäuschung darüber unbewusst direkt ans Pferd zurück vermittelt wird. Pferde schenken uns von sich aus so viel Wundervolles, dies zu empfangen und anzunehmen ist jedoch eine Kunst für sich. Gibt ein Pferd von sich aus viel, will man immer mehr davon. Gibt ein Pferd von sich aus wenig, sucht man nicht nach der Ursache, warum dieses per se freundliche und wunderschöne Wesen sich eher zurückhaltend gibt, sondern man erwartet gefälligst Kooperation (körperliche wie geistige). Ich sage nicht, dass man sich auf der Nase herumtanzen lassen soll, noch, dass man Pferde nicht zu Höchstleistungen motivieren darf, aber unsere Pflicht muss es sein, zu sehen, mit welchem Wesen wir es zu tun haben, dies anzunehmen und lieben zu lernen.
Meine Stallvermieterin hat einmal zu mir gesagt: “Wenn dein Pferd dein Freund ist, dann musst du es auch wie einen Freund behandeln.” Diese Aussage finde ich großartig! Es ist uns egal, was andere über unseren Freund sagen, wir stehen zu ihm und lieben ihn so wie er ist. Wir wissen, dass sich ein Freund im Laufe des Lebens ändert, er wird älter, seine Bedürfnisse ändern sich, aber das ist uns egal, wir stehen unserem Freund immer zu Seite, so wie er es gerade braucht. Auch Freunde haben Fehler, aber wir lieben sie trotzdem, da wir wissen, dass umgekehrt auch sie uns mit all unseren Fehlern lieben. Ein Freund ist niemand, der uns etwas beweisen muss, weil er in unseren Augen sowieso “der Schönste, Liebste und Gescheiteste” ist … und das bringt mich wieder zu Anfang dieses Blogs. Es geht nicht um den objektiven Wahrheitsgehalt dieser Aussage, sondern um das subjektive Empfinden meinem Pferd gegenüber, denn wenn ich wirklich von Herzen sagen kann, das ist mein allerbester Freund, werde ich alles dafür tun, dass es ihm sowohl physisch als auch psychisch nie an etwas fehlen wird. Und das wünsche ich mir für alle Pferde dieser Welt … dass sie Menschen an ihrer Seite haben, deren Zuneigung ihnen gegenüber nicht an Bedingungen geknüpft ist. Je mehr ich über dieses Thema nachdenke, desto mehr wird mir nämlich bewusst, dass, wenn es um NICHTS geht, plötzlich ALLES möglich ist. Dieses Loslassen fällt uns Menschen aber schwer! “Um nichts mehr gehen!”, hör ich den einen oder anderen jetzt empört rufen! “So ganz sinnentleert sollte ja Pferdehaltung auch nicht sein!” Korrekt. Ich meine jedoch das innere Loslassen, das sich Befreien von diesen tückischen Erwartungen, die uns den Blick auf das Wesen unserer Pferde oft verstellen. Denn wenn man einmal erkannt hat, mit welch wundervollem Charakter man es zu tun hat, wird man wie süchtig danach, diese einzigartige Persönlichkeit weiter zu entdecken, zu fördern und in bedingungsloser Liebe anzunehmen … und genau das haben unsere Pferde verdient!
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